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Für meinen ersten Blogeintrag beschäftige ich mich mit Motivation und Demotivation. Ich bin auf dieses Thema gestoßen, da mir vor relativ kurzer Zeit etwas passiert ist, was mich nachdenklich gestimmt hat. Auf dem Weg in meine Selbständigkeit zum Feldenkrais-mit-Pferd-Practitioner hatte ich eine Menge zu tun. Diese Website musste geschaffen, Inhalte erdacht, ein Logo erstellt, Flyer entworfen und Termine mussten eingehalten werden. Hinzu kamen noch mein privates Umfeld und die üblichen Verstrickungen und Verwicklungen von Beziehungen und Ämtern.

Kurzum: ich war reizüberflutet und obschon ich unendlich viel Zeit zu haben schien, konnte ich meine Aufgaben und Vorsätze nicht ganz zu meiner Zufriedenheit erfüllen. Mir viel es schwer mich zu konzentrieren, insbesondere bzgl. der Textarbeiten hatte ich mich komplett verrannt und sah weder Anfang noch Ende. Es gab keine Struktur in meinem Kopf.

Warum war ich so blockiert? Warum konnte ich nichts zu Ende führen, was ich voller Inbrunst anfangen wollte?

Der Grund lag in besagter Strukturlosigkeit, welche eine Folge der Reizüberflutung war. Es musste so viel geschafft werden, eine Sisyphusarbeit. Da mir jede der einzelnen Aufgaben so gewaltig erschien, konnte ich keine wirklich beenden. Dadurch stellte sich natürlich auch Demotivation ein. Ein Teufelskreis aus unerledigten Aufgaben und Stress baute sich vor mir auf. Was war passiert?

Zur Verdeutlichung meiner Herausforderung möchte ich euch die sogenannte Motivationskurve anhand des Neandertalers „Athuc“ erklären.

Besagter Athuc ging eines Tages mit ein paar seiner Brüder auf Mammutjagd. In grauer Vorzeit, zum Beginn unserer Entwicklung vom Tier zum Menschen, hatten unsere Vorfahren nur wenige Alltagsziele. Sie mussten sich fortpflanzen, für Schutz sorgen und ihre Sippe ernähren. Diese Ziele hatten höchste Priorität und dementsprechend fiel auch die Motivation der Handelnden hoch aus.

So zogen sie los über die eisige Tundra, bewaffnet mit Holzspeeren mit Feuersteinspitzen, um für ihre Familie zu sorgen. Die Motivationskurve Athucs war schon bei Abreise aus ihrer Höhle hoch, da sie von den Grundbedürfnissen Hunger und Überleben getrieben wurden. Bis sie dann nach ein paar Tagen Mammutspuren fanden, stieg die Kurve kontinuierlich an und sobald unsere Gruppe die Tiere sah und stellte, schnellte sowohl das Adrenalin als auch die Motivation in die Höhe.

Schließlich umzingelten sie einen großen Mammut-Bullen und griffen an. Hier erreichten die Jäger den Höhepunkt ihrer Motivationskurve.

Nach einem harten Kampf; unzählige Speere mussten in das Tier geworfen werden, dass sich mit steigender Anzahl seiner Verletzungen immer verzweifelter und vehementer zu wehren versuchte, bezwangen unsere Krieger schließlich das Mammut und Athuc versetzte ihm den tödlichen Stoß. Freude und Euphorie machten sich breit, denn von dem Fleisch würde die Sippe lange essen können. Das Fell und die Knochen würden für Kleidung und Werkzeug verwendet werden. Noch vor Ort zerteilten und zerlegten Athuc und seine Brüder das Tier zum Abtransport.

Sie hatten ihr Ziel erreicht und waren für ihre Bemühungen belohnt worden. Die Motivationskurve sank nach dem Erlegen langsam ab, jedoch war noch genügend Energie für die anfallenden Arbeiten, wie Zerteilen und Transport, vorhanden.

Das Erfolgserlebnis als solches führte dazu, dass die Motivation nicht wieder auf ihren Ursprung absank, sondern relativ stabil auf einer hohen Position weiter bestand.

Ihre Jagd hatte einen Abschluss, einen Sinn, eine Notwendigkeit und ein zufriedenstellendes Ende! Der Abschluss und die Entschädigung der schwierigen Aufgabe waren Lohn und Motivation genug.

So einfach und doch entscheidend klar war ihre Situation. Über den gesamten Zeitraum der Jagd war ihre Motivation hoch und ungebrochen. Das Aufspüren des Mammuts, die Jagd und das schlussendliche Erlegen des Tieres war eine fortlaufende Aufgabe während derer ihre Motivation immer weiter anstieg und schließlich im Erfolg mündete.

Wie anders steht es um unsere Motivation heutzutage? In einer Zeit der Schnelllebigkeit, in der wir alle Hilfsmittel und Zubehörteile eines bequemen Lebens zur Verfügung haben, geht durch die Gleichzeitigkeit der Aufgaben viel an Motivation verloren. Natürlich ist es hilfreich morgens nur auf den Knopf der Kaffeemaschine zu drücken, während wir die Nachrichten auf dem Smartphone lesen und nebenher das Radio läuft. Zwischendurch gibt es noch Frühstück, die Kinder müssen angezogen werden und das alles am besten gleichzeitig. Dies ist natürlich nur ein Beispiel unserer Herausforderungen im Alltag. Was ich damit verdeutlichen möchte ist, dass wir nicht wie Athuc eine einzelne Aufgabe vor Augen haben, diese erledigen und uns somit durch die Beendigung belohnen. Wir haben 100 Tätigkeiten auf einmal zu lösen, was schier unmöglich scheint. Wir beenden Dinge vorzeitig, bevor sie zu einem befriedigenden Abschluss kommen. Durch die Überflutung von Aufgaben und Reizen haben wir das Wesentliche aus den Augen verloren und vergessen uns im Hier und Jetzt zu befinden. Gedanklich sind wir schon bei der nächsten Erledigung, sodass das Gefühl des ursprünglichen Vorhabens vergessen wird. Daraus entsteht ein Teufelskreis und es wird immer schwieriger diesem zu entkommen. Zudem türmen sich immer neue Aufgaben auf, die uns ablenken und die Beendigung der eigentlichen Angelegenheit verhindern.

Durch die Einfachheit der Vorgänge erhält die Belohnung selbst Bedeutungslosigkeit. In unserem Alltag, in unserer Gesellschaft geht alles immer schneller und schneller, es fehlt am Sinn hinter unserem Handeln und an den notwendigen Ritualen, die uns die Vorgänge, die unser bequemes Leben ermöglichen, mit einem Zweck erfüllen. Wir handeln unbewusst und nehmen alles als selbstverständlich hin. Wir sind überfordert durch die Vielzahl an Aufgaben, gestresst durch die Bedeutungslosigkeit unseres Handelns und frustriert über die Nichtigkeit der erlangten Befriedigung. Das ist der Zeitgeist, schnelllebig, unbedeutend und in seiner zermürbenden Gleichgültigkeit anstrengend.

Die Schlüssel zu diesen Problemen sind meiner Meinung nach Entschleunigung und Bewusstheit!

Als ich mir verdeutlicht hatte, dass auch mein Tag nur 24 Stunden hat, dass einige Sachen auch warten können und ich mir eine Struktur in meinen Kopf zurechtgelegt hatte, wurde ich ruhiger und gelassener und konnte die sich vor mir auftürmenden Arbeiten mit einem gesunden Abstand betrachten. So war ich dazu in der Lage eine Aufgabe nach der nächsten erledigen zu können, was wiederum meine Motivation anhob und ich durch die Beendigung eines Themas Erfolg empfinden konnte.

Seitdem mache ich es immer so, wenn mich die alltäglichen Notwendigkeiten und Sorgen zu erdrücken scheinen. Ich trete bewusst zurück, entspanne mich, mache mir einen Tee und betrachte die Situation aus einem anderen, entfernteren Blickwinkel. Ich erkenne was wirklich wichtig ist und welche Prioritäten ich setzen muss: Struktur durch bewusste Wahrnehmung meiner Selbst und meiner Situation.

Bei Feldenkrais ist es genauso: kleine, bewusste Bewegungen und Veränderungen werden durch Wiederholung in den Alltag integriert bis sie ins Unterbewusste übergehen.

Diese so gelernten Körperbewegungen und Fähigkeiten, die Gelassenheit, die Selbsterkenntnis kann mir Niemand nehmen. Mit jedem Tag, den ich bewusst erlebe, bereichere ich mein Leben und steigere meine Motivation und Neugier auf Morgen.

In meinem zweiten Eintrag befasse ich mich nochmals mit einigen Grundlagen der Feldenkrais Methode und der positiven Auswirkung von Entschleunigung auf die Konstruktion der Synapsen, unsere Autobahn im Gehirn. Schon im ersten Blogeintrag ging es am Rande um die Wirkung der Selbstwahrnehmung sowie der Entschleunigung auf unser Alltagsempfinden. Hier möchte ich diese Erkenntnisse in Zusammenhang mit unserer neurologischen Entwicklung bringen.

Da ich an anderen Orten dieser Seite schon ausgiebig über die Feldenkrais Methodik und deren Einzigartigkeit schwadroniert, man kann sagen geschwafelt habe, gehe ich hier davon aus, dass mein Leser mit den Grundlagen zumindest rudimentär vertraut ist.

Kurz: Mosché Feldenkrais war ein Judoka mit 20 Jahren Kampfsporterfahrung und Physiker; eine ungewöhnliche Mischung. Zu seinen Lebzeiten war seine Idee umstritten. Bei manchen Wissenschaftlern wurde er geschätzt, von anderen als irrational belächelt. Eine Tatsache die ihn verletzt hat. Obwohl seine praktischen Erfolge anerkannt wurden, wurde ihm akademischer Respekt oft verwehrt.

Zuspruch fand seine Idee und Methodik unter anderem von dem renommierten Neurobiologen Prof. Gerhard Hüther, welcher ein starker Verfechter von Feldenkrais zur Anti-Aging-Therapie, der Erhaltung und Stärkung von Denk- und Lernprozessen sowie zur Stressbewältigung ist. (siehe dazu u.a.: https://www.feldenkrais.de/presse/die-feldenkrais-methode-findet-ihren-platz-in-der-gesundheitspraevention).

Als ein bedeutender Grund für die Zunahme stressbedingter Erkrankungen wie Burn-Out, Depressionen, Suchterkrankungen oder Zwangsstörungen wird oft die steigende Belastung am Arbeitsplatz angeführt.

Meiner Meinung nach liegt der Fehler eher noch an einem Gesellschaftssystem, das durch ständige Beschleunigung und Reizüberflutung unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Möglichkeiten zur Verarbeitung und Filterung von Fremdeindrücken überfordert. Das Problem liegt an unser Alltagsgestaltung und dem allgegenwärtigen Zwang, optimal zu funktionieren und allen von außen gestellten Ansprüchen gerecht zu werden.

Oft leiden Menschen an Stress, da sie zu wenig Schutzmechanismen zur Stressbewältigung haben wie die Fähigkeiten zur Reflexion, der Bewusstheit der eigenen Situation und Möglichkeiten und dadurch ihre Alternativen aus dem Blick verlieren. Das schafft Unsicherheit und das Gefühl von Hilflosigkeit, was sie dann noch mehr Stress erleben lässt.

Das dahinterliegende Problem heißt also Beschleunigung und eine Lösung könnte gezielte Entschleunigung sein.

Dies ist bei weitem kein neuer Gedanke. Wie schon in einem meiner Lieblingsbücher, „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny über den Seemann und Entdecker Sir John Franklin, der wegen seiner Langsamkeit gehänselt und dennoch zu großen Leistungen befähigt war, gilt auch bei Feldenkrais und in der Entwicklung von synaptischen Verbindungen das Prinzip der Langsamkeit, der Bedächtigkeit. In dem Roman verfügt der Protagonist über ein außergewöhnliches Gedächtnis, Weltoffenheit und große kognitive Talente trotz, oder genau wegen seiner Langsamkeit und angeblichen Ungeschicklichkeit.

Der nicht autobiografische Roman basiert übrigens lose auf dem realen Kapitän Franklin, der mehrere Forschungsreisen zum Polarkreis unternahm und schließlich auf seiner letzten Expedition mit der HMS Terror verschwand. Mit diesem Verschwinden hat sich ein anderer Autor, Dan Simmons, in seinem Roman „Terror“ beschäftigt, den man inzwischen verfilmt hat und welcher auf Amazon gestreamt werden kann.

Laut Mosché Feldenkrais und Professor Hüther, sowie aufgrund neuester Ergebnisse der Hirnforschung werden Erfahrungen gleichzeitig auf physischer, psychischer und kognitiver Ebene miteinander verbunden.

In Fachkreisen nennt man das „Embodiment“ und unser Gehirn scheint besonders gut dauerhaft wirksame Verbindungen (Synapsen) zu bilden, wenn ihm neue Lektionen, unerheblich ob körperlicher, geistiger oder emotionaler Natur, bedacht, bewusst und absichtlich langsam zugeführt werden.

Natürlich wirken sich auch andere Faktoren, wie soziale Interaktion, Aktivierung der Phantasie oder medizinische Vorsorge positiv auf die Entstehung und Nachhaltigkeit der Synapsen aus, jedoch spielt speziell das bewusste langsame Verinnerlichen, das organische Lernen und Neugierde eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung und beim Lernen bis ins hohe Alter.

Dieselben Faktoren liegen der Feldenkrais Therapie zu Grunde. Feldenkrais dient hier als eine Art Katalysator. Doch anstatt im Auto eine chemische Reaktion herbeizuführen, führt es zur Schaffung chemischer und elektrischer Verbindungen im Gehirn selbst. Durch das Erkennen von Mustern, durch das bewusst machen automatisierter Handlungen um diese dann kleinschrittig (also eine nach der anderen) zu entziffern und neu in den Alltag zu integrieren, wird das Gehirn stimuliert, neue Kontaktpunkte zwischen den Neuronen zu bilden. Dazu gehört auch, die Entscheidung zu treffen, Veränderungen zu akzeptieren, um so das eigene Körper- Gedanken- und Emotionssystem neu zu programmieren.

In diesem Sinne sind es gerade die kleinen Veränderungen, Kleinigkeiten, die eine große Wirkung auf uns haben.